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Der Mosaikleger

MosaiklegerHerr der Steine: Der Mosaizist

Handwerker und Künstler schaffen „Malerei“ für die Ewigkeit. Von Andreas Hopson

erschienen in : Miroque – Lebendige Geschichte – ROM 2012

Nur wenig ist heute über das antike Mosaikhandwerk bekannt. Doch faszinieren römische Mosaike uns noch heute. Das Handwerk des Mosaiklegens geht auf das vierte Jahrtausend v. Chr. zurück und entwickelte sich von kleinen, bemalten Tonstiften, welche in Lehmmörtel gesteckt wurden, zu einfachen Mustern aus Kieselsteinen unter den Griechen. Die ältesten Bodenmosaike aus geschliffenen Kieseln befinden sich in Phrygien (8. Jhd. v. Chr.) und auf der griechischen Halbinsel Chalkidike (5. – 4. Jhd. v. Chr.). Während der hellenischen Zeit verwandten Mosaikleger geschnittene und eng aneinander liegende Marmorwürfel, wie wir sie heute aus Mosaiken kennen. Die römische Antike liefert uns eine Vielzahl an Boden-, Wand- und Deckenmosaiken. Die römische Kunst, Fußböden zu verzieren, war eine Kopie von griechischen Kieselböden, die aus kleinen, zusammen gesetzten Stückchen von verschiedenem Material, Bilder und Ornamente zeigten.

Das Wort „Mosaik“ stammt von „Musa“ ab, benannt nach den neun Musen der griechischen Mythologie, den Töchtern des Zeus, Beschützerinnen der Wissenschaften und der Künste. Auch mit dem lateinischen „Musaeum“, für „Musentempel“ ist das Wort verwandt  und den Künsten gewidmet. Mosaik ist also eine weit zurück reichende, edle Bezeichnung für eine besondere Kunstform.

In römischer Zeit wurde die antike Gestaltung des Bodens perfektioniert. Mosaizisten wechselten von relativ eintönigem Kieselmaterial, das in nur wenigen Farben wie schwarz, weiß und grau benutzt wurde, zum edlen Marmor, welcher eine weit größere Farbpalette bot, um auch komplexe bildhafte Motive zu legen – so genannte „emblemata“ – kleine, als Bilder konzipierte Mosaike. Gute Beispiele finden sich heute in Pompeji aus dem ersten Jhd. n. Chr. und in Nordafrika ab dem zweiten Jhd. n. Chr. Schon das von Hieron II von Syrakus nach Alexandria gelenkte Schiff hatte eine Besonderheit an Bord: Der Fußboden der Schiffskabinen war vollständig mit Mosaiken ausgelegt, welche die Geschichte der Ilias darstellten.

Über die Jahrhunderte hinweg unterlag auch das Mosaik großen Modeschwankungen in Motiv, Material und Gestaltung. So war beispielsweise in spätrömischer Zeit (3. Jhd. n. Chr.) der Hang zu goldfarbenen Glassteinen nicht mehr aufzuhalten. Diese sind zumeist in Wand- und Deckenmosaiken zu finden (Ravenna). Für Marmorfarben, welche schon in römischer Zeit schwer zu beschaffen waren, wurde auch gerne zum „Alternativmaterial“ gegriffen, dem Glas. Glassmalte konnte regional hergestellt werden und war ein kostensparender Ersatz für den Naturstein. Marmor bot jedoch eine sehr viel reichere Vielfalt. Und trotzdem wurden zunächst zweifarbige Mosaike in schwarz-weiß bevorzugt gelegt, denn mit nur zwei Farben zu arbeiten, bedeutete eine sehr viel raschere Ausführung und die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Materialien, die meist vor Ort verfügbar waren. Diese Art von Fußböden wurde häufig für die Gestaltung sehr großer Oberflächen verwandt, wie etwa für die Verlegung von Märkten, Fußböden in Basiliken oder die Verkleidung von Thermen. Weit aufwändiger waren farbige Bildkompositionen wie im bekanntesten Fall das Alexandermosaik im Haus des Faun in Pompeji. Heute ist dieses Meisterwerk, mit nahezu 5.000.000 Mosaiksteinen, im Nationalmuseum von Neapel zu bewundern.

Doch wer waren diese Mosaizisten, die malerische Kunstwerke für die Ewigkeit schufen? Es ist schwierig, Genaues über die Organisation und die Stellung des Mosaiklegers in der römischen Gesellschaft zu sagen. Die lateinischen Bezeichnungen für den gemeinhin als Handwerk geltenden Beruf sind ebenfalls divers: Tesselarius, tesserarius, tesselator (tessare = Mosaikstein). Es ist anzunehmen, dass Mosaikleger in kleinen Gruppen organisiert waren. Zum Beispiel ein Lehrer (Meister) mit seinem Schüler oder angelernten Sklaven. Sie pflegten ihre Werke nicht zu signieren. Die Inschriften an öffentlichen Gebäuden oder an anderen Werken wurden gemeinhin lediglich mit den Namen der Geld- oder Auftraggeber versehen. Selbst an antiken Überlieferungen gibt es nur wenige Quellen, etwa bei Plinius in „naturalis historia XXXXVI“ (186-187) oder bei Vitruv (VII, 1, 3-5), die spärlich über diesen Berufszweig berichten. Deshalb ist nur wenig über das antike Mosaikhandwerk überliefert – das wohl in der Tat eher als „einfaches Handwerk“ denn als Kunst galt. Es lässt sich jedoch so einiges rekonstruieren …

Die Arbeit für die Fertigung von Mosaiken begann mit der Erstellung einer Vorlage, die in den wenigsten Fällen vom Mosaikleger selbst stammte. Meist waren dies Skizzen guter Wandmaler oder eigens gesammelte Skizzen in Musterbüchern. Mosaikbücher sind zwar archäologisch nicht belegt, es gibt jedoch im römischen England und in Italien (Neapel) zwei Mosaike die sich wie Zwillinge gleichen. Über eine Distanz von über 1.000 Kilometern wäre es selbst dem gleichen Mosaikkünstler nicht möglich gewesen aus dem Kopf das gleiche Bild exakt zu legen. Wahrscheinlicher ist, dass einem Kunden das Motiv in Italien so gut gefiel, dass er eine Skizze anfertigen, und sich das Mosaik in seiner Heimat legen ließ – ein Beleg für ein Musterbuch. Es ist sogar davon auszugehen, dass Mosaikleger in einem Verkaufsgespräch mit einem potentiellen Kunden ebenso ein Buch aus bemaltem Papyrus oder auf dünnen Holzplatten vorzeigten und verschiedene Muster oder Motive anboten, ähnlich einem heutigen Musterbuch für Tapeten, Bodenbeläge oder Fliesen.

Der Mosaikleger der Antike

Die Umsetzung, also das Legen der Steine, war wohl das Zeitaufwendigste. Bedenkt man die durchschnittliche Größe von Mosaiken ist davon auszugehen, dass mindestens ein Team von zwei oder auch mehrere Teams an einem Mosaikwerk arbeiteten. Sklaven und Lehrlinge, die „tesselarii“, fertigten die meisten Steine mit dem Hammer und einem Spaltblock, also den füllenden Boden, um dem „Meister“ das Material vorzuarbeiten. Dieser war zuständig für die aufwändigeren Teile des Werks. Der „museiarii“ legte die kleinen, detailreichen Bilder vermutlich nicht direkt am Boden, sondern eher an einem Tisch auf Steinplatten in einer Werkstatt. Diese kunstvoll gestalteten Platten wurden dann an der entsprechenden Stelle wie eine Fliese eingelegt und waren somit später wieder zu entnehmen – gar für Reparaturarbeiten. Beispiele finden sich dafür vereinzelt bei römischen Mosaiken.

Mosaikleger waren also nicht etwa angesehenen Künstler, sondern eher so etwas wie reisende Handwerker. Sie wurden lediglich für einzelne, länger andauernde Aufträge ortsansässig. Diese Annahme wird durch die Tatsache unterstützt, dass es bis heute keine einzige, nachgewiesene fest bestehende Mosaikwerkstatt im gesamten römischen Reich gab. Einzig in den Vesuv-Städten gibt es ein Ladengeschäft, an dem ein Emblemata auf einer Steinplatte mit einem Mosaikmotiv gefunden wurde. Dieses zum Kauf angebotene Stück fand sich im Laden an eine Wand gelehnt, allerdings ohne Steinmaterial oder Werkzeug. Dies deutet wiederum darauf hin, dass es Handelsware war, so wie die vielen anderen Fundstücke aus dem Laden. Dies lässt schließlich vermuten, dass die handwerklichen Mosaikleger von Mundpropaganda lebten und bei gut verrichteter Arbeit weiterempfohlen wurden oder sich auch bewarben.

Belegt ist hingegen, dass der Berufszweig des Mosaiklegers verschiedene Gewerke unterschied: den „pavimentarius“, Hersteller des Estrich-Bodens und zuständig für den Bodenaufbau, den „tesselarius“, Mosaikleger und unter ihnen den „museiarius“, der auf Wand- und Deckenmosaike spezialisiert war sowie den „vermiculator“, der feine Bildmosaike, so genannte Emblemata, legte.

Doch zum Handwerk: Allein der Aufbau der Bodenfläche war sehr komplex. Dieser wurde von verdichteten Kieselsteinen über einen „Beton“ mit groben Keramik-Abfällen bis zu einer sehr feinen „Estrichschicht“ von spezialisierten Handwerkern vorbereitet. Erst auf diesen drei Schichten konnten die Vorritzungen des Mosaiklegers beginnen, bevor der erste Stein gesetzt wurde. Die Mosaiksteine wurden sodann in einer dünnen Stuckschickt verlegt. Mit Schnur und Wasserwaage wurde das entstehende Werk auf Niveau gebracht und anschließend mit feinstem Sand geschliffen.

In der Regel entschied der Auftraggeber über das zu verwendende Material für Unterbau und Mosaik. Er suchte sich aus den Musterbüchern Motive und geometrische Figuren aus. Embelmata wurden in Werkstätten der Mosaizisten auf einem Ziegel mit erhöhten Rändern oder einer Travertinplatte hergestellt und vor Ort in den Boden eingelassen. Wie heute arbeiteten Mosaizisten schon damals häufig mit Malern und Architekten zusammen, um dem zu gestaltenden Raum ein aufeinander abgestimmtes Bild zu verleihen – den Bodenbelag der Wanddekoration anzupassen oder dem Raum ein Thema zu geben; beispielsweise erhielten Badegebäude Delphine oder Seepferdchen und Hauseingänge oftmals „Wachhunde“.

Gute und bekannte Mosaikleger zeichneten sich durch ihre Fähigkeit aus, den Motiven ein möglichst detailreiches und stark ausdrucksvolles Aussehen zu verleihen. Wenn beispielsweise ein Frauenportrait durch das richtige Zusammenspiel der Steinfarben und Schatten des Mosaiks eine Emotion äußert, wie freudestrahlende Augen oder einen melancholischen Blick, war kein einfacher Mosaikleger am Werk, sondern ein wahrer Künstler. Sie vermochten Steine zu lesen und jedes Tessare im Bild auf dem exakt richtigen Platz zu betten.

Der Mosaikleger Andreas Hopson